Matthias Jung


 

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Zeitsprung - Gemeinde 2030

 

 

"Niemals werde ich dich verleugnen!" - Auseinandersetzung auf Augenhöhe


Predigt über Lukas 22,31-34 in der Passionszeit 2013


Atemlose Stille am Tisch. Vor wenigen Minuten haben sie das Abendmahl gefeiert. Jesus hatte gesagt, es sei das letzte Mal, dass sie so zusammen sitzen. Und einer von euch wird mich verraten. Sie schauten sich an und in ihren Gesichtern stand die Frage: Wer ist es?

In die Betroffenheit hinein hatte Jesus angefangen zu reden, über das was war und das, was jetzt kommt. Immer eisiger wurde das Schweigen. Die Worte Jesus schnitten in ihr Herz, ihre Gedanken und Gefühle stauten sich zu einem immer größer werdenden Knäuel. Bis einer den inneren Druck nicht mehr aushielt. Petrus. Der immer vorne weg ging, an der Seite von Jesus. Der organisierte und klärte. Von allen akzeptiert in dieser Rolle. Der konnte es einfach, unbestritten. Manchmal aber sagte er Sachen, bei denen andere nur den Kopf schüttelten. Und er selbst biss sich oft genug auf die Zunge und dachte, neiinnn...!

Die anderen sahen, wie es sich ankündigte. Petrus wurde unruhig, sein Blick irrte umher. »Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen«, platzte es aus ihm heraus, als Jesus erklärte, was heute Nacht und morgen mit ihm geschehen würde.

Jesus sah Petrus an und der erwiderte den Blick des Herrn. Eine, zwei, drei Sekunden lang. »Petrus, ich sage dir: Der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, dass du mich kennst.«

Alle hielten die Luft an, alle Augen richteten sich auf Petrus. Er schwieg, wurde bleich. Hielt aber Jesu Blick stand, bis Tränen in seine Augen traten. Dann schluckte er und sagte mit brüchiger Stimme: »Herr, drei Jahre bin ich an deiner Seite. Du hast mich von meinen Fischernetzen weggeholt, ich sollte dir folgen und ich habe es getan. Nicht einen Tag habe ich es bereut. Wie oft sind wir zusammen an der Spitze unserer Schar gegangen, von einem Dorf zum nächsten und du hast dich mit mir unterhalten. Wie oft hast du mich voraus geschickt, ein Nachtlager zu finden. Wie oft hast du mich gebeten, dich durch die Menge der Menschen wegzuführen, wenn du nicht mehr konntest. Du hast mir vertraut und ich habe dir mein Leben anvertraut. Und jetzt sagst du mir das ins Gesicht? Ich weiß, ich nehme den Mund oft zu voll, bin vorlaut und, ja, ich sonne mich hier und da in deiner Nähe und in deinem Glanz. Aber das musst du mir jetzt nicht sagen, das tut richtig weh.«

Alle Augen richteten sich auf Jesus. Der schaute nachdenklich zur Seite, ließ dann seinen Blick über die Jünger schweifen. Die Luft vibrierte, brannte förmlich. »Ich weiß, Petrus. Ihr alle liebt mich. Ihr habt mich gestützt und gestärkt, ermutigt und getröstet. Ihr habt euch vor mich gestellt und mich geschützt. Aber das, was heute Nacht auf mich, auf euch zu kommt, das ist etwas ganz anderes. Du kannst das nicht, Petrus, keiner von euch kann das. Ihr seid zu schwach, ihr werdet alle vor Angst um euer Leben schlottern und euch verstecken und verkriechen. Ihr werdet euch dafür hassen und verachten, aber es wird so kommen. Ich weiß das. Und ich deswegen sage ich euch allen auch das: Ich brauche euch noch. Ihr müsst wieder aufstehen. Ihr müsst das weiter tragen, was ich angefangen habe. Meine Worte weiter tragen zu den Menschen. Damit sie glauben können. Meinem Vater, der auch euer Vater ist. Nur ihr könnt das, ihr ward dabei. Ihr habt die Worte zuerst gehört, ihr habt gesehen, was sie bei den Menschen ausgelöst haben. Blinde wurden sehend, Lahme kamen auf die Beine, Todtraurige wurden froh. Ihr habt das miterlebt und ihr müsst das weiter erzählen, ich kann das nicht mehr. Und damit ihr euch daran erinnert, und wieder aufsteht, so schlimm das für euch auch sein wird, deswegen sage ich euch das. Und Petrus, dich brauche ich da besonders, dich mit deinen Fähigkeiten. Auch wenn du in deinen Augen völlig versagen wirst, zitternd vor Angst. Ja, ich brauche dich noch. Deswegen: Wenn du dich dereinst bekehrt, so stärke deine Brüder.«

Jetzt war es an Petrus, den Blick zu senken. Und aller Augen richteten sich wieder auf ihn. Schließlich sah er Jesus erneut an und sagte nur ein Wort: »Warum?«

Jesus antwortete: »Ich sag´ es dir in einem Bild: Simon, der Satan hat begehrt euch zu sieben wie den Weizen. Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhört. Und ich bete weiter dafür. Damit du nicht unter der Last zerbrichst. Unter der Last, die dir auferlegt ist und der Last, die du dir darüber hinaus selbst noch auflegst. Du verlangst mehr von dir mehr ich.«

»Wie meinst du das«, fragte Petrus zurück, »ich versteh´ dich nicht. Du redest davon, dass ich dir nicht folgen kann. Dass du mich trotzdem trotzdem brauchst. Du sagst mir ins Gesicht, dass ich behaupten werde, ich kenne dich nicht. Nicht nur einmal, nicht zweimal, nein, dreimal! Und dann noch der Spruch mit dem Gebet für meinen Glauben. Ist der auch nichts mehr wert, dass du für ihn bitten musst?!« Die letzten Worte schrie er heraus und Tränen liefen ihm übers Gesicht.

»Doch, Petrus. Aber ich sehe auch deine Angst. Die Angst, die ich auch in mir verspüre. Nicht die Angst um mein Leben. Die Angst, dass ich am Ende nicht die Kraft habe, der Liebe meines Vaters treu zu sein. Dass ich am Ende selber fliehe. Noch könnte ich es. Jerusalem ist groß. Aber dann wäre alles vergebens gewesen. Ich weiß um meinen Weg, meine Bestimmung. Du, Petrus, bist nicht ich. Ich sehe meine Angst - und ich sehe, dass du deiner nicht ins Gesicht schaust. Und das wird dir zum Verhängnis werden.«

»Niemals!«

»Petrus, du musst nicht meinen Weg gehen. Sondern deinen. Dafür brauche ich dich. Und deswegen bete ich für dich, dass dein Glaube nicht zerbricht, wenn alles auseinanderfällt – dann, wenn der Hahn kräht.«

»Und ich sage dir noch einmal: Niemals werde ich dich verleugnen!«

Jesus schwieg einen Moment, die Augen auf Petrus gerichtet, der den Blick fest erwiderte. Schließlich sagte er: »Petrus, lassen wir das so zwischen uns stehen. Die Zeit ist da. Kommt, wir müssen gehen. Ich will noch in den Garten Gethsemane, beten und Kraft schöpfen. Mit euch. Bevor der Morgen graut und geschehen wird, was geschehen muss.«


Liebe Gemeinde,

drei Worte von Jesus.

Ich habe die Verse auf dem Schreibtisch hin und her geschoben und fand keinen roten Faden. Plötzlich dachte ich: Was wäre, wenn die Reihenfolge anders gewesen wäre? Sofort entstand eine Szene vor meinem inneren Auge, die ich Ihnen gerade erzählt habe.

Amen.